Wirtschaftsdelegationsreise nach Uruguay und Argentinien

Vom 3. bis 9. März 2024 bin ich mit einer Delegation des Wirtschaftsausschusses nach Uruguay und Argentinien gereist. Ziel der Reise war es, sich mit den politischen Entscheidungsträger*innen vor Ort über die Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur auszutauschen. Der Mercosur ist die Organisation des gemeinsamen Binnenmarktes der Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Der Wirtschaftsausschuss bereitet die Position des Deutschen Bundestages zum Abkommen federführend vor. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des jüngst erfolgten Regierungswechsels in Argentinien war der Austausch über die verschiedenen Sichtweisen auf das Abkommen wichtig, auch um mögliche Folgen für den Außenhandel und die bilaterale Zusammenarbeit bei Energie, kritischen Rohstoffen und Investitionen deutscher Unternehmen vor Ort besser einzuschätzen.

Auftakt in Uruguay: Nachhaltigkeit und Innovation

Tag 1: Montevideo
Nach der Ankunft in Montevideo begann der erste Tag mit einem Briefing durch den deutschen Botschafter. Er stellte Uruguay als politisch stabiles und wirtschaftlich exportorientiertes Land vor, das fast seinen gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Energien deckt. Besonders beeindruckend ist der innovative Ansatz Uruguays, Green Bonds als Anreiz für staatliche Umweltschutzmaßnahmen einzusetzen.

Im Gespräch mit dem uruguayischen Außenminister Omar Paganini wurde die Bedeutung des EU-Mercosur-Abkommens und die Wasserstoffwirtschaft des Landes betont. Die deutsch-uruguayische Energiepartnerschaft, die im letzten Jahr geschlossen wurde, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Uruguay hat sich das Ziel gesetzt, überschüssige Energie in Form von grünem Wasserstoff zu exportieren. Dies wird durch eine im Jahr 2023 geschlossene Energiepartnerschaft zwischen Deutschland und Uruguay unterstützt, die von der H2Global-Stiftung gefördert wird. Die Zusammenarbeit soll den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft fördern und dazu beitragen, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Die H2Global-Stiftung wird dafür von der Bundesregierung mit 900 Mio. Euro unterstützt.

Am Nachmittag besuchte die Delegation Elisa Facio, die uruguayische Ministerin für Industrie, Energie und Bergbau. Die Ministerin betonte, dass Uruguay nicht zuletzt aufgrund eigener fossiler Vorkommen faktisch seinen ganzen Strombedarf aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Uruguay plane, überschüssiger Energie für Herstellung und Export von grünem Wasserstoff zu verwenden, vor allem in die EU-Staaten.

Anschließend berichteten Vertreter des brandenburgischen Energieunternehmens Enertrag von dessen Geschäftsmodell und Investitionsplänen in erneuerbare Energien in Uruguay.

Der Abend wurde mit einer Jahresauftaktveranstaltung der Deutsch-Uruguayischen Industrie- und Handelskammer (AHK Uruguay) abgerundet.

Tag 2: Zonamerica und Parque de las Ciencias
Der zweite Tag führte die Delegation zur Freihandelszone Zonamerica. Hier arbeiten über 7.000 Menschen in einem Umfeld, das stark auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. In Gesprächen mit Vertretern des deutschen Unternehmens Merck wurde deutlich, wie wichtig diese Freihandelszonen für den internationalen Handel sind. Zonamerica bietet steuerliche Anreize und eine moderne Infrastruktur, die Unternehmen dabei unterstützt, ihre Produkte weltweit zu vertreiben.

Im Parque de las Ciencias, einer weiteren Freihandelszone, liegt der Fokus auf biowissenschaftlicher Forschung und Entwicklung. Die Delegation konnte hautnah die Produktion von Augentropfen und Verpackung für Medizinprodukte erleben.

Am Abend traf die Delegation Beatriz Argimón, die Präsidentin des uruguayischen Parlaments. In einem Austausch hob sie die starke demokratische Kultur Uruguays und die wichtige Rolle des EU-Mercosur-Abkommens hervor.

Tag 3: Hafen von Montevideo und Industrie
Am dritten Tag besuchte die Delegation den Hafen von Montevideo. Dort wurde die umfassende Infrastrukturentwicklung vorgestellt, die den Hafen zu einem wichtigen Drehkreuz für den Export von Energieprodukten, insbesondere grünem Wasserstoff, machen soll. Der Besuch des Containerterminals Cuenca del Plata und des Zellstoffterminals des finnischen Konzerns UPM zeigte die bedeutende Rolle des Hafens für die Wirtschaft Uruguays. UPM hat eine neue Bahnstrecke in Auftrag gegeben, die das Joint Venture DBCC unter Leitung der Deutsche Bahn International Operations GmbH entwickelt hat. Ziel ist der Transport von Zellstoff vom Werk in Paso de los Toros zum Hafen.

Anschließend besuchte die Delegation die Produktionsstätte des Göppinger Lederherstellers BADER in Ciudad del Plata. Hier beeindruckte besonders die Nachhaltigkeit der Lederproduktion durch innovative Ansätze zur Verwertung von Abfallprodukten. BADER verarbeitet Rindsleder, das als Nebenprodukt der Fleischproduktion anfällt, und entwickelt biologisch abbaubare Pflanztöpfe aus Abfallprodukten der Lederherstellung.

Fortsetzung in Argentinien: Herausforderungen und Chancen

Tag 4: Buenos Aires
In Buenos Aires wurde die Delegation vom deutschen Botschafter begrüßt. Bei einem Briefing durch den Geschäftsführer der Deutsch-Argentinischen Industrie- und Handelskammer (AHK Argentinien), wurden die wirtschaftlichen Herausforderungen Argentiniens deutlich. Trotz hoher Inflation und Importrestriktionen bietet das Land großes Potenzial, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien und IT. Argentinien hat reichhaltige Rohstoffvorkommen und eine gut ausgebildete Bevölkerung, was das Land zu einem attraktiven Standort für ausländische Investitionen macht. Trotzdem dürfen negative Aspekte nicht ausgeblendet werden, besonders im Hinblick auf die Entwicklung der Menschenrechte ist Vorsicht angebracht. 

Im argentinischen Parlament tauschte sich die Delegation mit Mitgliedern des Haushalts- und Finanzausschusses aus. Die breite Unterstützung für das EU-Mercosur-Abkommen auf argentinischer Seite wurde dabei besonders hervorgehoben. Die Gespräche zeigten, dass Argentinien großes Interesse an einer Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen mit der EU hat.

Ein Businesslunch bei der AHK Argentinien mit Vertretern deutscher Unternehmen bot tiefere Einblicke in die aktuellen Herausforderungen und Chancen für deutsche Investoren vor Ort. Die Unternehmensvertreter betonten die langjährige Präsenz deutscher Firmen in Argentinien und die Bedeutung des Marktes trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Am Nachmittag fand ein Gespräch mit der argentinischen Außen- und Handelsministerin Diana Mondino statt. Die Ministerin betonte die Chancen, die das EU-Mercosur-Abkommen für Argentinien bietet und kam auch auf die prekäre makroökonomische Lage Argentiniens zu sprechen, das stetige Staatsdefizit, die unkontrollierte Vermehrung der Geldmenge und den Aufbrauch der Zentralbankreserven. Die neue Regierung reagiere mit durchgreifenden Sparmaßnahmen zwecks Haushaltskonsolidierung und hebe gleichzeitig die Importrestriktionen auf, um Investitionen im Land anzuheizen.

Bei der Eröffnungsveranstaltung von German Accelerator Buenos Aires wurde die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit bei der Förderung von Start-ups betont. Die Verdienste des von Deutschland geförderten German Accelerator-Programms wurden hervorgehoben, dass es in 12 Jahren Laufzeit geschafft hat, mehr als 900 Start-Ups bei ihrem Markteintritt in den USA, Asien und nunmehr über Argentinien auch in Südamerika zu fördern.

Ein abschließender Empfang in der Deutschen Botschaft bot Gelegenheit, die Reise Revue passieren zu lassen und die gewonnenen Eindrücke und Kontakte zu vertiefen.

Tag 5: German Accelerator und Wirtschaftsgespräche
Der letzte Termin der Reise war ein Treffen mit dem im Rahmen des Regierungswechsels neu ins Amt gekommenen, argentinischen Staatssekretär für Industrie und Produktion, Alberto Pazo. Das Land, so Staatssekretär Pazo, befinde sich in der größten Krise seiner Geschichte. Neben der drastischen Reduzierung der Geldmenge, bei der sich erste Erfolge zeigten, sei über allem stehendes Ziel der neuen Regierung die Haushaltskonsolidierung sowie einen Handelsüberschuss zu erwirtschaften, um wieder finanzielle Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen und Devisenreserven anlegen zu können. Die Wirtschaft biete allerdings großes Potential. Programme wie German Accelerator hälfen, Investitionen zu hebeln.

Tag 6: Gedenkstätte ESMA

Da mein Rückflug überrasschend gecancelt wurde, hatte ich die Gelegenheit, meinen letzten Tag in Buenos Aires außerplanmäßig selber zu gestalten. Das gab mir die Chance, das Museum der Gedenkstätte ESMA zu besuchen. Dieses historische Denkmal, einst ein Zentrum für Inhaftierung und Folter während der Diktatur von 1976 bis 1983, ist ein Zeugnis des Staatsterrorismus und ein gerichtliches Beweismittel in den Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Argentinien.

Besonders beeindruckend war die Ausstellung über deutsche Verflechtungen in dieser Zeit. Sie beleuchtet die Schicksale vieler Menschen deutscher Herkunft, die Opfer von Verbrechen wurden. Die Ausstellung ist in drei Achsen gegliedert: Mitschuld, Solidarität und Gerechtigkeit. Sie untersucht die Kollaboration der Bundesrepublik Deutschland mit der Diktatur, die Protestbewegung und die juristischen Bemühungen, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Dieser zusätzliche Tag in Buenos Aires war eine wertvolle Gelegenheit, einen tieferen Einblick in die düstere Vergangenheit Argentiniens zu bekommen und verdeutlichte die Bedeutung von Erinnerung und Gerechtigkeit. Trotz der unerwarteten Planänderung konnte ich so eine wichtige und eindrucksvolle Erfahrung machen, die meinen Aufenthalt in Argentinien bereicherte.

Fazit

Die Delegationsreise nach Uruguay und Argentinien bot wertvolle Einblicke in die wirtschaftlichen Potenziale und Herausforderungen beider Länder. Die Gespräche und Besuche zeigten deutlich, dass nachhaltige Energieprojekte und wirtschaftliche Stabilität zentrale Themen sind, die in beiden Ländern mit großem Engagement vorangetrieben werden. Die Kommunikation von Seiten der Argentinier war sehr darauf bedacht, zu sagen, was wir hören wollen. Die nachdenkliche Bewunderung für neoliberale Fundamentalisten und die rechten Netzwerke des Milei-Regime, die auch einige Akteure in Deutschland an den Tag legen, teile ich nicht.Insgesamt waren es fünf interessante und lehrreiche Tage, von denen wir alle mit vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen nach Deutschland zurückgekehrt sind.

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