Stakeholderdialog Digitalisierung & Nachhaltigkeit: Digitalisierung der Energiewende

Am 28. Februar 2023 fand der fünfte Stakeholder-Dialog aus der Reihe Digitalisierung & Nachhaltigkeit unter der Leitung von Maik Außendorf, Digitalpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Anna Christmann, Beauftragte der Bundesregierung für digitale Wirtschaft und Start-Ups im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, statt.

Themenschwerpunkt war dieses Mal die Digitalisierung der Energiewende. Gemeinsam wurden folgende Fragen diskutiert:

  • Wie weit ist Deutschland bei der Digitalisierung der Energiewende?
  • Worin bestehen die wesentlichen Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung der Energiewende?
  • Was sind die wichtigsten politischen Maßnahmen, um das Potential der Digitalisierung für die Energiewende auszuschöpfen?

Aus der Diskussion nehmen wir folgende Ergebnisse mit:

Smart Meter Rollout

Wenn man sich über die Gestaltung einer nachhaltigen Digitalisierung Gedanken macht, kommt man zwangsläufig zu dem Schluss, dass dieses Vorhaben ohne eine transformative Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien nicht möglich ist. Um diese Energiewende möglichst schnell und effizient zu vollbringen, hat die Bundesregierung im Januar 2023 den Entwurf des Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) vorgestellt.

Dieser sieht vor allen Dingen die Beschleunigung des Smart Meter Rollouts vor, da mithilfe dieses intelligenten digitalen Stromzählers der Strombezug flexibilisiert werden kann und Konsument*innen die Nutzungsdaten digital zur Verfügung stehen. Dieses Gesetz gilt es nun schnell zu beschließen, denn laut Bundesnetzagentur wurden Stand 2021 nur 133.000 intelligente Messsysteme in Deutschland verbaut.

Deutscher Sonderweg

Nun gilt es folglich zu entscheiden, wie der Smart Meter Rollout umgesetzt wird. Dabei ist vom grundsätzlichen Ansatz her zu beachten, dass Deutschland im Gegensatz zum Rest Europas einen netzgetriebenen Rollout anstelle eines vertriebsgetriebenen Rollouts gewählt hat. Diesen Weg gilt es weiterzugehen, seine Vorteile zu nutzen und die Nachteile als Herausforderungen anzugehen. So wird in Deutschland keine Cloud-to-Cloud Kommunikation wie in anderen EU-Mitgliedsstaaten praktiziert, sondern eine Gateway-Kommunikation über die Smart-Meter Infrastruktur gewählt. Grundsätzlich kommt es aufgrund der Vielzahl von Netzbetreiberstrukturen in Deutschland häufig zu Komplikationen bei der Digitalisierung der Energiewende. Eine mögliche Lösung könnte in einem stärker preisgesteuerten Ausgleich von Erzeugung und Last liegen. Zusätzlich gilt es, die Vorteile des netzgetrieben Rollouts hinsichtlich der Steuerungsmöglichkeiten zu nutzen.

Energieeffiziente Programmierung

Bei der Ausgestaltung der Smart Meter ist es zudem wichtig, eine energieeffiziente Implementierung anzustreben. Eine konkrete technische Herausforderung stellt in diesem Zusammenhang die Frage dar, wie oft Datenpunkte gesetzt werden. Theoretisch geht diese Datenerfassung bis zu alle 10 Sekunden. Hierzu muss entschieden werden, welche Voreinstellungen den Tradeoff zwischen einer intelligenten Datennutzung und dem Einsparen von Energie durch verringerte Datenströme am sinnvollsten ermöglichen.

In diesem Kontext lohnt es sich den Gedanken der Suffizienz zu beachten. Denn wenn eine Effizienzsteigerung von einer gesteigerten Nutzung oder Erfassung begleitet wird, die möglicherweise nicht nötig ist, und sich die Nachhaltigkeit dadurch unterm Strich sogar verschlechtert, sprechen wir von Rebound Effekten, die es zu vermeiden gilt.

Datenschutzbedenken berücksichtigen

Da auf Basis von Daten der Energieversorgung viele sensible Informationen gewonnen werden können, ist es wichtig, die Datensicherheit und den Datenschutz ins Zentrum der Überlegungen einer digitalen Energiewende zu rücken. Essenziell sind einheitliche Leitlinien und Vorgaben, die eindeutige Antworten auf Fragen des Datenschutzes geben, wie die obligatorische Zertifizierung von Smart Meter Anbietern durch das BSI. Trotzdem müssen Datensparsamkeit und Datennichterhebung weiterhin Bestandteil des gesetzlichen Diskurses sein, auch als Gegengewicht zu dem Wunsch nach immer mehr verfügbaren Daten, die die Energiebilanz hochtreiben.

Zusätzlich sollte man sich bewusst machen, dass Datennutzungsmodelle, die sensible Energienutzungsdaten zielgerichtet auswerten können, häufig in der Hand von Big Tech Unternehmen liegen. Weiterhin sollte sich die Frage der Genauigkeit der Datenerhebung gestellt werden. Es empfiehlt sich hier, über aggregierte Erhebungsgrößen nachzudenken. Trotz der großen Anfälligkeit von Smart Meter Daten ergeben sich gleichzeitig aber auch, wenn richtig genutzt, große Potenziale aus der generierten Datenmenge.

So konnte das Deutsche Rote Kreuz mithilfe dieser (anonymisierten) Daten den Hausnotruf in Teilen ersetzen und bei Unregelmäßigkeiten schnell reagieren. Weitere Potenziale bieten sich für Non-Profit-Organisation oder Forschungsinstitute, für die sich durch die Tiefe der Daten neue Möglichkeiten auftun würden. Allgemein sollte daher über eine intelligentere Datenkonzentration und -nutzung zu hohen Datenschutzstandards nachgedacht werden. Denn es gibt aktuell schon eine Vielzahl von Datensätzen, die man mithilfe von KI auswerten und möglicherweise zur Netzstabilisierung nutzen kann. Damit könnte eine Rückkopplung von Verbraucher*innen zu ihren Nutzungsverhalten hergestellt werden, welches bestenfalls über den eigenen Verbrauch sensibilisiert und zu Verhaltensanpassungen führt.

Smart Meter Hardware

Zusätzlich zur bereits thematisierten nachhaltigen Programmierung von Smart Metern gibt es einen weiteren Hebel, der zu einem energieeffizienten und nachhaltigen Rollout beitragen kann. Die Herstellung der Smart Meter Hardware bedarf Energie und der Implementierung wertvoller Rohstoffe. Den Einsparpotenzialen zunehmend digitaler Energieversorgungsmodelle stehen also Entstehungskosten des notwendigen Hardware Energie- und Ressourcenverbrauchs gegenüber.

Um hier Ressourcen zu schonen und in die Richtung einer Kreislaufwirtschaft zu gelangen, sollten Smart Meter möglichst lange verwendbar und recyclebar sein. Nach aktueller BSI Richtlinien muss jedoch die Hardware bereits bei kleinen Fehlern, Updates oder bei Änderungen der geographischen Implementierung bereits zerstört werden. Hier bedarf es eines Austausches über Vorgaben von Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz im Rahmen der Digitalisierung der Energiewende. Die Frage, wie rücksetzbare und recyclebare Hardware zukünftig unter Wahrung der Datensicherheit recycelt werden können, muss daher schnellstens geklärt werden.

Energie Communities

Eine weitere Möglichkeit, eine gesicherte und nachhaltige Energieversorgung zu gewährleisten, könnte in Bürger*innenmodellen liegen, die die Versorgung mit Energie nicht mehr über multinationale profitorientierte Unternehmen sicherstellen, sondern regional und nachhaltig produzieren und über langfristige Verträge eine sichere und preisstabile Energieversorgung gewährleisten.

Beispiele für Energiegenossenschaften lassen sich in Italien und Belgien finden, wo diese politisch unterstützt werden und damit grüne Energie zum Selbstkostenpreis ermöglichen. Ganz konkret kann die politische Unterstützung in einem stärkeren regulatorischen Fokus (Anreizregulierung und Fördermodelle), Entbürokratisierung des Bilanzausgleichssystems oder auch in finanzieller Unterstützung (z. B. Befreiung vom Netzentgelt) liegen. So wird in Italien ein Anreiz für jede kWh gezahlt, die in einer Energiecommunity erzeugt und verbraucht wird. Zusätzlich werden durch weniger Bürokratisierung Projektplanung und -umsetzung erleichtert.

Bürger*innen miteinbeziehen

Dank der Implementierung von Smart Metern ergeben sich ganz konkrete Möglichkeiten zu der Änderung von Verhaltensmustern der Endkonsument*innen beizutragen. Die alleinige Implementierung von Smart Metern zieht zunächst keine Veränderung der Energieversorgung nach sich, wenn die Bürger*innen hier nicht aktiv miteinbezogen werden. Für das Thema Energie- und Stromeinsparung muss auf gesellschaftlicher Ebene noch mehr sensibilisiert werden.

Durch die Implementierung von Smart Metern ergeben sich durch den einfachen Zugang der Konsument*innen zu ihrem monatlichen Energiekonsum und den dadurch anfallenden Kosten Möglichkeiten der Verbesserung in diesem Bereich. Einfach aufbereitete und digital zugängliche Daten können so die Lücke zwischen den erhobenen Daten und dem Verständnis der Endverbraucher*innen und der damit verbundenen Anwendung reduzieren. Da menschliches Verhalten nur bis zu einem bestimmten Punkt vorhersehbar ist, gilt es, alle Potenziale der Automatisierung zu nutzen, die durch die Implementierung intelligenter Messsysteme entstehen können.

So kann mit Smart Metern beispielsweise ein E-Auto automatisch zu den effizientesten und kostengünstigsten Zeitpunkten über einen vordefinierten Zeitraum aufgeladen werden, und wenn möglich, auch nur bis einer bestimmten Menge (z.B. 70 Prozent vs 100 Prozent geladen). Die Aspekte, bei denen menschliche Entscheidungen durch automatisierte Prozesse effizienter und nachhaltiger ersetzt werden können, sollten als Chance begriffen und genutzt werden. All dies gilt es, in der Gesetzgebung und in der Planung des Smart Meter Rollouts mitzudenken, um die Energiewende und die Digitalisierung ganzheitlich miteinander zu verknüpfen.

Um die Potenziale heben zu können, ist eine offene, möglichst standardisierte und frei zugängliche Programmierschnittstelle (API) eine notwendige Voraussetzung. Somit können Forschende,  Software-Entwickler*innen oder Start-Ups Apps und Geschäftsmodelle für die Smart-Meter Anbindung entwickeln.

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