Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz die Wirtschaft entlasten und die Transformation beschleunigen

Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten wird das Ausführen von Verwaltungstätigkeiten nach klaren Vorgaben und innerhalb festgelegter Strukturen – bürokratisches Handeln – als äußerst belastend empfunden. Die Initiativen und Methoden vergangener Legislaturen – wie die One-in-one-Out-Regel oder drei Bürokratieentlastungsgesetze – haben zu keinen spürbaren Vereinfachungen für die Wirtschaft geführt. Daher sind aktuell die Rufe nach einem weiteren Bürokratieentlastungsgesetz besonders laut und eindringlich. Es ist in der Tat notwendig für Vereinfachungen zu sorgen und die politischen Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln, sodass sie der digitalen und klimapolitischen Transformation gerecht werden. 

Dem Koalitionsvertrag entsprechend hat das federführende Bundesjustizministerium nun Ende August nach einer langwierigen Verbändeanhörung und mit Zuarbeit aus allen Ministerien endlich die Eckpunkte für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz vorgelegt. Als zuständiger Berichterstatter der Grünen Bundestagsfraktion hatte ich mit meinem Berichterstatterkollegen innerhalb der Ampel der notwendigen Debatte, was unverhältnismäßige oder ineffiziente Bürokratie ist bereits im Herbst letzten Jahres vorgegriffen und uns auf mögliche Punkte geeinigt.

Mit einem vorgelegten Entlastungsvolumen von 2,3 Milliarden ist nun ein substanzieller Aufschlag gelungen, dessen Entlastungswirkungen das Potential haben, auch bei den Unternehmen den tatsächlichen Aufwand zu reduzieren. Entscheidend ist nun zu zeigen, dass wir als Ampel einigungsfähig sind und in der Debatte des Referentenentwurfs und den kommenden parlamentarischen Beratungen sowohl die Gesamtentlastung, als auch symbolische Notwendigkeiten, wie die statistischen Berichtspflichten, die laut statistischem Bundesamt weniger als 1% der Belastungen für Unternehmen ausmachen im Blick behalten und ein Gesamtpaket zu schnüren. 

Eigentlich ist die Entwicklung des Bürokratiekostenindex – gemessen vom Statistischen Bundesamt – erfreulich: Er ist seit 2006 deutlich gesunken, wobei es unser Ziel und Verpflichtung sein muss den leichten Anstieg auf ein Plateau 2017/2018 wieder nach unten unter die historischen Tiefstwerte von 2016 zu durchbrechen. Hierzu ist es vor allem geboten die Prozesse zu digitalisieren und zu vereinfachen. Eine vergleichende Studie im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen zu den Umsetzungskosten von europäischen Vorgaben in den Mitgliedsstaaten kommt zu dem Schluss, dass die Kosten für das Befolgen von Gesetzen davon abhingen, ob es klare Definitionen, schlüssige Templates, smarte Digitallösungen und gute Beratung gab. Und diese Voraussetzungen schienen je nach Thema eher zufällig auf die Länder verteilt zu sein. Es hängt also entscheidend davon ab, dass das Design digitaler Lösungen streng nutzerorientiert und die Kosten zur Informationsbeschaffung begrenzt werden. Das gilt auch bei den gut gemeinten Ausnahmeregeln. Die Prüfung, ob sie einen Ausnahmetatbestand nutzen können, ist für viele Unternehmen aufwendig und langwierig.

Unabhängig von dem Prozess eines Bürokratieentlastungsgesetz IV denkt das BMWK Bürokratieabbau neu und hat mit den Praxis-Checks ein Verfahren entwickelt, bei dem in engem Austausch mit betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmern, Verwaltungen und anderen Expertinnen und Experten Hemmnisse, Erschwernisse und andere Dinge, die behördliche Verfahren aufwendig und unnötig komplex machen, identifiziert und adressiert werden. Der Praxis-Check rückt die Anwenderinnen und Anwender themenbezogen in den Mittelpunkt, nicht die  Paragrafen. Bisher ist das BMWK das einzige Ministerium, das dieses Instrument systematisch bei der Verbesserung der Rechts- und Gesetzgebung einsetzt. So hat es die Planungsbeschleunigung beim Stromnetzausbau, bei Balkonsolaranlagen, Photovoltaik oder beim Windausbau umgesetzt. Das kann aber nur ein Anfang sein. Mit der Reform des Online-Zugangsgesetzes (OZG 2.0) sollen alle Unternehmen künftig einen Ende-zu-Ende-digitalisierten Zugang zu relevanten Leistungen erhalten. Je mehr Online-Services im Zuge der Verwaltungsdigitalisierung ausgerollt werden, umso stärker reduzieren sich unnötiger Papierkram und vermeidbare Behördengänge. Im besten Fall sind die digitalen Verwaltungsleistungen gut strukturiert, einfach bedienbar und bieten bei Schwierigkeiten niedrigschwellige Informationsangebote wie Tutorials, FAQs und Chatbots. Ziel ist zudem das Once-Only-Prinzip: Informationen sollen nur noch ein Mal – und nicht wie heute häufig mehrfach – an staatliche Stellen übermittelt werden müssen.

Ebenso Ende August wurde die Eckpunkte für die Weiterentwicklung des Digital-Checks im Gesetzgebungsverfahren verabschiedet. Mit dem Digitalcheck soll die digitale Ausführbarkeit bei der Erstellung und der Anpassung von Rechtsvorschriften von Anfang an mitgedacht werden, damit die Vorteile der Digitalisierung zum Nutzen von Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen, Behörden und weiteren Betroffenengruppen ausgeschöpft werden  können. 

Wir nehmen die ökonomischen Herausforderungen ausgelöst durch den Energiepreisschock des russischen Angriffskriegs und die sinkende Nachfrage der Weltwirtschaft sehr ernst und haben im letzten Jahr mit erheblichen Mitteln, Gesetzesvorhaben und Verordnungen dafür gesorgt, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland stark bleibt. Was es jetzt braucht ist eine konsequente Weiterentwicklung der politischen Rahmenbedingungen, die der digitalen und klimapolitischen Transformation gerecht wird. Nur eine Wirtschaft, die innerhalb der planetaren Grenzen – in Einklang mit Natur und Klima – effizient arbeitet, kann unsere Lebensgrundlagen und Wohlstand nachhaltig sichern. Wir müssen uns aus der aktuellen Lage herausinvestieren, damit der innovative, international erfolgreiche Mittelstand wettbewerbsfähig bleibt und den Herausforderungen der Digitalen Transformation, dem Bürokratieabbau, der Fachkräftesicherung und den Energiepreisen zusammen gerecht werden. 

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