Stakeholderdialog Digitalisierung & Nachhaltigkeit: der digitale Produktpass & Kreislaufwirtschaft

Am 5. Dezember 2022 fand die 2. Sitzung des Stakeholderdialogs im Deutschen Bundestag mit Maik Außendorf, Sandra Detzer und Tabea Rößner statt. Gemeinsam wurden folgende Fragen diskutiert:

  • Wie soll der digitale Produktpass aussehen und welche Kriterien muss dieser erfüllen? Welche Aspekte sind aus Sicht der Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bei der Umsetzung des digitalen Produktpasses zu beachten?
  • Welche Kreislaufwirtschaftsaspekte sollen im vierten Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission in Bezug auf die Ökodesign-Richtlinie beinhaltet sein?
  • Welche weiteren Prozesse sind im Bereich Digitalisierung der Kreislaufwirtschaft für wichtig und welchen Handlungsbedarf gibt es?
  • Welche Best Practices gibt es bei der Digitalisierung der Kreislaufwirtschaft?

Aus der Diskussion nehmen wir folgende Ergebnisse mit:

Den digitalen Produktpass (DPP) werteorientiert auf die Kreislaufwirtschaft ausrichten

Das Ziel eines digitalen Produktpasses (DPP) sollte es sein, Informationen über Produkte entlang ihrer Produktion verfügbar zu machen und diese wertegeleitet für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft einzusetzen. Ressourcen müssen effizient genutzt werden, es braucht gute Lieferketten, Transparenz für Unternehmen und Verbraucher*innen sowie Informationen zum Umgang mit und der Reparatur von Geräten. Damit der DPP die Produkte tatsächlich nachhaltiger macht, muss er auf dieses Ziel hin aktiv gestaltet werden. Derzeit ist die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie in Arbeit. Sie soll alle Wirtschaftsprozesse auf Kreislaufwirtschaft und CO2-Einsparung ausrichten. Die Anforderungen der verschiedenen Branchen an ein DPP sollten von Beginn an in die Konzeption einfließen. Ziel muss es langfristig sein, den Grundgedanken der Kreislaufwirtschaft in die Breite der Gesellschaft zu tragen, und zu erreichen, dass industrielle Prozesse auf diese Kreislaufführung eingestellt werden. Unternehmen, die aktuell schon Aspekte einer Kreislaufwirtschaft in ihre industriellen Prozesse integriert haben, können als Best Practices dienen.

Den digitalen Produktpass regulatorisch breit verankern

Die Umsetzung des DPP ist auch abhängig von z.B. nationalen Gesetzen zum Datenschutz, dem Kartellrecht, dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen wie auch dem Lieferkettensorgfaltsgesetz. Auch viele Verordnungen, die aktuell in der EU verhandelt werden, nehmen auf den DPP Bezug (z.B. den EU Data Act), das muss bei der Umsetzung eines DPP ebenso mitgedacht werden.

Einen Mehrwert für Unternehmen schaffen

Die Akzeptanz der Industrie für einen digitalen Produktpass ist ein wichtiger Aspekt für eine effiziente Umsetzung. Datensicherheit und Datenschutz sind zu beachten. Nicht alle im DPP hinterlegten Informationen dürfen für alle zugängig sein. Betriebsgeheimnisse (z.B. technische Grundlagen eines Produktes) oder firmeninterne Daten über die Herstellung bestimmter Technologien müssen weiterhin einem hohen Schutz unterliegen. Zugang zu sensiblen Daten könnte in Abstufung beispielsweise nur den Aufsichtsbehörden oder anderen autorisierten Personen gewährt werden. Eine dezentrale Speicherung der Daten ist ein zusätzliches Mittel um die Datensicherheit zu erhöhen. Idealerweise sollten Parallelprozesse verhindert werden, vor allem in Bezug auf die nutzer*innenfreundliche und ressourcenschonende Überlieferung der Informationen des DPP. Diesbezüglich wurde darauf verwiesen, dass im industriellen Kontext bei einem digital zugänglichen Produktpass die gleichen Informationen nicht auch in Papierform veröffentlicht werden müssten, was effizienter wie auch ressourcenschonend sein könnte.

Augestaltung für Verbraucher*innen

Der DPP wird zum aktuellen Zeitpunkt vorrangig in einem industriellen Kontext entwickelt. Der Mehrwert für Verbraucher*innen sollte integriert werden. Dazu gehört, dass der DPP für Endkonsument*innen einfach und übersichtlich nutzbar ist. Sinnvolle Informationen über den Lebenszyklus,  zur Nutzung und Reparatur des Produkts müssen abrufbar sein. Verbraucher*innen können so nachhaltige Kaufentscheidungen treffen, die Produkte länger nutzen und korrekt recyceln. Die Informationen sollten jedoch auch für Verbraucher*innen ohne Smartphone verfügbar sein.

Daten effizient und qualitativ hochwertig erheben

Eine Kreislaufwirtschaft benötigt, anders als eine lineare Wirtschaft, sehr viele Daten über den Lebenszyklus eines Produktes. Hinzu kommt, dass der DPP idealerweise die komplette Lieferkette eines Produktes darstellen soll. Wichtig ist, dass eine hohe Datenqualität auch bei Produktionsschritten in anderen Ländern gewährleistet wird. Die Erhebung dieser Daten muss für Unternehmen schnell und effizient möglich sein, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Für den DPP sollten nur so viele Daten erhoben werden, wie für eine hohe Funktionalität auch notwendig sind. Die Daten sollten nach einem standardisierten Muster erfasst werden, um die Handhabung und die maschinelle Verarbeitung zu erleichtern und den Speicherbedarf zu minimieren.

Branchenspezifisch und interoperabel erarbeiten

Digitale Produktpässe sollten untereinander funktionabel und vergleichbar sein. Hierfür sind einheitliche Standards und Normen auf internationaler Ebene notwendig. Auf Grund der einzelnen Branchenlogiken und jeweiligen Anforderungen muss die Umsetzung sektorspezifisch erfolgen. Der Informationsbedarf für verschiedene Akteure muss daher ermittelt und integriert werden. Das digitale System des DPP muss zudem in der Lage sein technologische Entwicklungen mitzugehen und gleichzeitig auch ältere Daten verwerten zu können.

Umsetzung aktiv vorantreiben

Der DPP ist noch nicht breit verfügbar und in seiner Gestaltung gibt es weiterhin viele offene Fragen. In Forschungsprojekten und Gesprächen mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden aktuell Potentiale von und Anforderungen an den Produktpass diskutiert. Bisher gibt es einen Schwerpunkt in den Branchen der Bauwirtschaft und der Textil- und Automobilindustrie. Die Umsetzung wird nun im Rahmen des deutschen Lieferkettensorgfaltsgesetzes und der europäischen Batterieverordnung vorangetrieben. Zukünftig könnte der DPP im wachsenden Feld des Internet of Things wichtig werden. Es wurde empfohlen, mit der Einführung auch Anreize für die Nutzung des DPP zu schaffen, damit dieser schnell eine breite Anwendung findet.

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