Zum Emissionshandel der Zukunft

Bildquelle: European Commission

Öffentliche Anhörung zu CBAM im Ausschuss für Klimaschutz und Energie

Die Sorge um „Carbon Leakage“ ist ein zentrales Hindernis für eine ambitionierte deutsche und Europäische Klimapolitik und hat in der Vergangenheit zu intensiven politischen Konflikten geführt. Der EU Green Deal setzt das Ziel, in der Europäischen Union bis zum Jahre 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Diese ambitionierte Zielsetzung birgt die Gefahr, dass Firmen zunehmend ihre Produktion in Weltregionen mit weniger ambitionierten Klimaschutzzielen auslagern, um Kosten einzusparen. Um angesichts der ambitionierten Klimaziele des Green Deal Carbon Leakage in Zukunft zu verhindern, hat die Europäische Union in ihrem „Fit für 55“-Paket ein CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) vorgeschlagen.

Als Berichterstatter der grünen Bundestagsfraktion für Handelsverträge im Wirtschaftsausschuss ist es mir besonders wichtig, dass wir in Zukunft Klimaneutralität nicht nur in den Industrien der EU, sondern international anstreben. Die CO2-Bepreisung ist ein wichtiges Mittel, um unsere Wirtschaft langfristig zu Decarbonisieren und die Klimaziele zu erreichen. Instrumente wie das CBAM können eine wichtige Rolle dabei spielen, einen Ausgleich des CO2-Preises zwischen einheimischen und importierten Produkten zu schaffen und Produktionsverfahren auch über die EU hinaus klimafreundlich zu gestalten.

Im Koalitionsvertrag wird ein solcher Grenzausgleich als zentraler Baustein genannt, um internationale Kooperationen zum Klimaschutz zu befördern und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu sichern.

Wie funktioniert das CBAM?

Das CBAM sieht vor, dass Unternehmen, die Waren in die EU einführen wollen, zunächst Zertifikate einkaufen müssen, die dem CO2-Preis entsprechen, der bei einer Produktion der Waren in der EU angefallen wäre (in der EU gibt es eine sogenanntes Emissionshandelssystem (EHS), durch das die bei der Herstellung eines Produktes produzierten CO2-Emissionen bepreist werden)

Dadurch  findet ein Ausgleich des CO2-Preises zwischen einheimischen Produkten und Importen statt und Unternehmen in Nicht-EU-Ländern werden motiviert ihre Produktionsverfahren umweltfreundlicher zu gestalten.

Das CO2-Grenzausgleichssystem soll zunächst nur für eine ausgewählte Anzahl von Waren gelten, bei denen ein hohes Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht. Dazu gehören Eisen, Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium und die Stromerzeugung. Das CBAM soll zunächst nur für die direkten Emissionen von Treibhausgasen während des Herstellungsverfahrens gelten. Am Ende eines Übergangszeitraums wird die Kommission bewerten, wie das CBAM funktioniert und ob der Anwendungsbereich auf weitere Produkte und Dienstleistungen – auch entlang der Wertschöpfungskette – ausgeweitet werden soll. Auch eine Einbeziehung indirekter Emissionen die z.B. durch den für die Produktion benötigten Strom entstehen, ist denkbar.

Das CBAM soll schrittweise eine Alternative zum Emissionshandel werden. Die Zahl der kostenlose Zertifikate, die im Rahmen des EHS ausgegeben werden soll dabei reduziert und in den Branchen, die durch das CBAM abgedeckt werden langfristig sogar abgeschafft werden. So wird die Lenkungswirkung hin zu einer klimafreundlichen Produktionsweise verstärkt.

Öffentliche Anhörung zum CBAM am Mittwoch, den 11.Mai im Ausschuss für Klimaschutz und Energie

Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung wurden am Mittwoch Sachverständige um ihre Einschätzung zu dem Vorschlag gebeten und von Ausschussmitgliedern zu dem Thema befragt. Der Vorschlag wurde von der Mehrheit der Expert*innen begrüßt und die Einführung des CBAM empfohlen. Dennoch gab es mehrere Kritikpunkte. Hauptsächlich wurde kritisiert, dass indirekte Emissionen bisher nicht miteinbezogen würden, die Vereinbarkeit mit WTO-Recht noch nicht sichergestellt sei und die Übergangsfrist zwischen EHS und CBAM nicht richtig gewählt sei.

Indirekte Emissionen

Ein Hauptkritikpunkt mehrerer Sachverständiger ist die Fokussierung auf direkte Emissionen, die bei der Produktion der Ware entstehen. Dabei sei es wichtig, so Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des IW Köln, die gesamte Wertschöpfungskette miteinzubeziehen. Auch Prof. Dr. Fritz Söllner, Technische Universität Ilmenau, merkte an, dass das CBAM in seiner jetzigen Form Herstellungsverfahren mit geringen direkten Emissionen aber hohem Stromverbrauch bevorzuge, was nicht im Sinne des Klimaschutzes sein könne. Eine Lösung für die komplette Liefer- und Wertschöpfungskette müsse demnach jetzt und nicht erst am Ende eines Übergangszeitraums gefunden evaluiert werden.

Vereinbarkeit mit WTO-Recht

Mehrere Sachverständige betonen, dass die WTO-Konformität bisher noch ungeklärt bzw. sogar als unwahrscheinlich einzuschätzen sei. Dabei wäre es für die Umsetzung und Folgenabschätzung des CBAM sehr wichtig Rechtssicherheit in dem Bezug zu haben. Wichtiger Streitpunkt ist hierbei, in welchem Maße für Importe in die EU durch das CBAM Mehrkosten entstehen und ob und in welchem Maße für Unternehmen in Nicht-EU-Ländern Wettbewerbsnachteile entstehen.

Übergangsfrist EHS und CBAM

Mehrere Sachverständige merken an, dass das EHS mit seinen kostenlosen Zertifikaten bisher Preissignale abgeschwächt und nicht zu einer Decarbonisierung der Industrie (auch bei den Handelspartnern) beigetragen habe. Deswegen sei es laut Anne Gläser, Germanwatch e. V. und Viviane Raddatz, WWF Deutschland, wichtig, dass das CBAM das bisherige EHS so schnell wie möglich ablöse. Andere Sachverständige, wie Hüther sprechen sich dafür aus die Test- und Evaluierungsphase zu verlängern oder sogar, so Söllner, die kostenlosen Zuteilungen des EHS langfristig beizubehalten. Es gibt also durchaus unterschiedliche Vorstellungen davon, wie ein Übergang zum CBAM zu gestalten sei.

Mit Ausnahme von Söllner sprechen sich alle Sachverständigen grundsätzlich für eine Einführung aus. Das CBAM sei ein geeignetes Mittel, um die Klimaziele zu erreichen und Handelspartner zu motivieren, mehr Ambition im Klimaschutz zu zeigen. Der Schutz der Industrie beim Transformationsprozess sowie die zweckmäßige Verwendung der Einnahmen aus dem CBAM (ausschließliche Investition in Klimaschutzprojekte und Transformationsfonds) sei dabei allerdings besonders wichtig.

Infos:

Sachverständige:

Dr. Matthias Blum Verband der Chemischen Industrie e. V. (VCI)

Dr. Andreas Bodemer IG Metall Vorstand, Brüsseler Büro

Anne Gläser Germanwatch e. V.

Sigrid Linher Senior Manager im Bereich Energie- und Klimapolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)

Prof. Dr. Michael Hüther Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln)

Dr. Julia Metz Agora Industrie

Viviane Raddatz WWF Deutschland (WWF)

Prof. Dr. Fritz Söllner Technische Universität Ilmenau

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