Mobilitätskonzept für Bergisch Gladbach ist auch volkswirtschaftlich sinnvoll

Die Berechnungen der Lobby-Organisation „Leben und Arbeiten in Bergisch Gladbach” (ILA) sind methodisch unvollständig und rechnerisch falsch. Die von der ILA ‚errechneten‘ volkswirtschaftlichen Mehrkosten sind reine Luftbuchungen. Seriöse Studien bestätigen: Autofahren ist für den einzelnen und die Gesellschaft teurer als Radfahren und ÖPNV.

Neben den unbestrittenen positiven Auswirkungen auf das Klima und die Gesundheit der Menschen in Bergisch Gladbach, bringt die im Mobilitätskonzept geplante Stärkung des Rad- und öffentlichen Verkehrs auch finanzielle Vorteile mit sich.

Die Initiative „Leben und Arbeiten in Bergisch Gladbach“ – ILA hingegen behauptet in einem Artikel, dass die Stärkung des ÖPNV in Bergisch Gladbach horrende volkswirtschaftliche Mehrkosten verursache.

Zunächst zur ILA-Veröffentlichung: die Betrachtung ist methodisch nicht nur unvollständig, sondern berücksichtigt in der Rechnung nur einen einzelnen Faktor: die angeblich längeren Fahrzeiten des ÖPNV im Vergleich zum Auto, hier wird zudem mit falschen Zahlen gerechnet. In der ILA Rechnung werden die angestrebten -8%-Punkten für den Autoverkehr gänzlich dem ÖPNV zugeschlagen. Tatsächlich sind lediglich +2% Punkte für den ÖPNV geplant, sowie +4%-Punkte für den Radverkehr und +2%-Punkte für Fußgänger.

Zudem ist es fraglich, ob Fahrten mit dem ÖPNV immer länger dauern als mit dem Auto. Die ILA nimmt als Beispiel eine Fahrt aus Bergisch Gladbach zum Kölner Neumarkt heran und behauptet, mit dem ÖPNV brauche man 2-5 Mal so lange.

Tatsächlich beträgt die Fahrzeit mit der S-Bahn ab Bergisch Gladbach mit Umstieg in die U-Bahn am Kölner Hbf nur 32 Minuten, im Berufsverkehr braucht man mit dem Auto erfahrungsgemäß deutlich länger. Natürlich ist dies nicht aus allen Teilen der Stadt mit Anfahrt zur S-Bahn oder Linie 1 in dieser Zeit zu realisieren, im Schnitt liegt es aber durchaus im ähnlichen Rahmen wie die Autofahrt. Zudem kann die Fahrzeit in der Bahn sinnvoll zum Zeitungs- oder iGL-lesen verwendet werden.

Methodisch fragwürdig ist die Umrechnung von vermeintlich mehr benötigter Zeit in bezahlte Arbeitszeit. Soweit jemand mit dem Auto signifikant Zeit einsparen kann, wird er deswegen ja nicht automatisch mehr arbeiten und verdienen. Da besteht kein belastbarer Zusammenhang. Die ermittelten Zahlen sind reine Luftbuchungen, es käme ja auch keiner auf die Idee die Zeit im Stau oder enervierenden Parkplatzsuche als Verdienstausfall geltend zu machen.

Zu einer umfassenden Betrachtung der gesamtwirtschaftlichen Kosten verschiedener Verkehrsträger gehören insbesondere: Anschaffungs- und Unterhaltskosten der Fahrzeuge, sowie Bau- und Instandhaltungskosten der Fahrwege und in ganz erheblichem Maß auch Folgeschäden für das Klima durch CO2-Ausstoß. Andererseits gibt es zahlreiche auch volkswirtschaftlich positive Effekte wie Gesundheitsförderung durch das Radfahren.

Mehrere seriöse Studien bestätigen: Autofahren ist für den einzelnen und die Gesellschaft teurer als Radfahren und ÖPNV.

So hat die Uni Kassel in drei Modellstädten über mehrere Haushaltsjahre die Zuschüsse und Aufwendungen für den Verkehr untersucht. Die den Städten entstandenen Kosten wurden hierbei in ein Verhältnis zum Verkehrsaufkommen der einzelnen Verkehrsträger gesetzt. Die Ergebnisse sind eindeutig: pro gefahrenem Kilometer wurde in allen drei Modellstädten mit Abstand am meisten für den Autoverkehr ausgegeben, gefolgt vom ÖPNV und Fußverkehr. Am günstigsten kommt den Städten der Radverkehr.

Einen noch weitergehenden Ansatz verfolgt eine Studie der University of Lund und der University of Queensland, hier wurden alle Kosten und positiven Gesundheitseffekte aufgerechnet, demnach kostet ein gefahrener Auto-KM die Gesellschaft 0,15€, ein gefahrener Kilometer mit dem Rad schlägt für die Gesellschaft 0,16€ positiv zu Gute – d.h. die positiven Effekte (eingesparte Gesundheitskosten) überwiegen hier die Ausgaben für die Infrastruktur und Klimafolgeschäden.

Die ILA rechnet in ihrem Beispiel mit 4436 PKW Fahrten zu jeweils 14,8km. Zwar sind Radfahrstrecken oft kürzer, wegen der Vergleichbarkeit der Zahlen nehmen wir in diesem Rechenexempel aber die gleichen Werte. Laut Mobilitätskonzept soll etwa die Hälfte der entfallenen PKW Kilometer auf den Radverkehr übergehen. Das heißt wir haben ein Minus von ca. 65.653 km bei den PKW, damit ein volkswirtschaftliche Ersparnis von 9847€, zusätzlich schlagen ca. 5.252 Euro positiv für die mehr gefahrenen Rad-KM zu Buche. Unter dem Strich bleibt also ein Plus von über 15.000 Euro volkswirtschaftlichem Nutzen durch mehr Radverkehr.

Abschließend sei bemerkt, dass es sich hier nur um theoretische Modellrechnungen handelt. Was zählt ist, dass durch das Mobilitätskonzept am Ende alle profitieren. Niemand soll zu einem bestimmten Verkehrsverhalten gezwungen werden. Es geht darum, den ÖPNV und Radverkehr attraktiver zu Gestalten und dadurch mehr Menschen zum Umsteigen zu bewegen. Weniger Auto-Verkehr führt auch dazu, das die verbleibenden Autos flüssiger fahren, was allen Verkehrsteilnehmer*innen zu Gute kommt.

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